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Bambi

Mir war von Anfang an klar: Meine Oma stammte aus den germanisch-keltischen Urzeiten, in denen Frauen die Sippe beherrschten und alles Wohl und Wehe in ihren Händen lag. Sie war das Zentrum der Großfamilie, in der ich zumindest meine ersten Lebensjahre hindurch heranwuchs. Sie verfügte aber nicht nur über hervorragende Führungsqualitäten, sondern darüber hinaus auch über eine große erzieherische Begabung. Dieses Talent wurde häufig bei Festanlässen, wie zum Beispiel bei ihrem alljährlichen, sich unvermeidlich wiederholenden Geburtstag von Verwandten, während man sich dabei heftig zuprostete, zwischen tiefen Schlucken lobend erwähnt.

Zu meinem persönlichen Glück wandte meine Oma auf mich allerdings keine erzieherischen Regeln an, denn dazu liebte sie mich offensichtlich zu sehr.

Unser Hündchen „Bambi“ allerdings blieb von ihren harten Erziehungsmaßnahmen nicht verschont. Mit ihm hatte Oma ein pädagogisches Meisterwerk vollbringen wollen.

Doch alles der Reihe nach.

Irgendwann einmal hatte Oma irgendwo bei einem weitläufigen Verwandten einen kleinen Rehpinscher gesehen. Sofort war sie in ungestümer Leidenschaft für dieses ausgesprochen kleine Hündchen entbrannt.

Meine Oma war sehr dick. So hoch wie breit. Vielleicht rührte daher ihre Liebe zu allem, was klein und zierlich war. Außerdem hatte sie viel Bitteres durchgemacht: Sie hatte zwei Weltkriege und zwei Männer überlebt und sehnte sich nach kleineren, überschaubareren Aufgaben.

So wünschte sie sich ausdrücklich diesen ganz jungen Rehpinscher, um ihn gleich von Anfang an richtig erziehen zu können. Immer, wenn Oma sich etwas ausdrücklich wünschte, wurde es Wirklichkeit.

Der junge Rehpinscher wurde ihr in einem alten, mit einem Kopfkissen ausgelegten Obstkörbchen geliefert. Erwartungsgemäß verliebte sich Oma vom ersten Moment an in den erst faustgroßen Welpen. Sie nannte diesen kleinen Hund spontan „Bambi“. Dabei blieb es.

Sofort begann sie, pädagogisch auf den vollständig unvorbereiteten Hund einzuwirken.

Als Oma ihre erzieherische Meisterleistung in Bezug auf Bambi ins Werk setzte, zählte ich fünf bescheidene Jahre. Obgleich ich noch in diesem zarten Alter war, hatte ich schon gelernt, zu schweigen und zu beobachten.

Das Erziehungsexperiment mit Bambi fand in unserer kleinen Küche statt. Ebenerdig gelegen, war sie das kleine Zentrum unseres kleinen Hauses, das in einem kleinen Dorf stand, in einer kleinen Gegend am Rhein. Wie wir also sehen, stand der kleine Hund in einem logischen Verhältnis zu unseren damaligen Lebensumständen.

Der erste Kontakt zwischen meiner Oma und dem jungen Hund gestaltete sich aber durchaus, und völlig unerwartet, misslich: Hatte ihn meine Oma bei der spontanen und überaus herzlichen Begrüßung zu fest gedrückt oder hatte das Hündlein vor ihrer übermächtig schwappenden Zuneigung spontan kapituliert? Das Motiv wird unklar bleiben. Klar aber bleibt, dass auf Omas Stirn plötzlich mitten in der ersten Begegnung mit dem kleinen Hund eine tiefe Missbilligungsfalte erschien. Die Ursache hierfür waren augenscheinlich ihre nass gepinkelten Hände, die sie, nachdem sie Bambi abgesetzt hatte, voll Ekel von sich streckte.

Wie so viele Beziehungen, die wir Menschen aus Grund plötzlich aufkeimender Zuneigung eingehen und die oft viel früher, als wir glauben wollen, einen Riss bekommen, der erst viele Jahre später als Ursache für ein Auseinanderbrechen erkannt wird, so war Omas Beziehung zu Bambi gleich von Anfang an gefährdet, zumal das Hündchen an diesem Tag ziemlich wild und ohne erkennbares System in der Wohnung, vor allem aber in der Küche, herumpinkelte …

Wie die Geschichte weitergeht, kannst du in meinem Buch „Aus dem Leben eines Clowns – Erste Serie: Frühe Fehlversuche“ lesen!

aus: Johannes Galli –  Aus dem Leben eines Clowns – Erste Serie: Frühe Fehlversuche | Auszüge aus Kapiteln | Freiburg 1. Auflage 1999 | © Galli Verlag e.V.

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