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Ich spucke auf den Selbsttest

Juhu, das sind gute Nachrichten! Endlich! Ich kann mich selbst testen. Es wird kinderleicht. Ich kann mit einem Wattestäbchen im Mund rumfummeln oder mich damit in der Nase kitzeln oder ich kann auch, lecker, lecker, an einem Teststäbchen herumlutschen, kann aber auch mit einer Kochsalzlösung gurgeln (Vorsicht, nicht schlucken!) und dann mein Gegurgeltes auf das Teststäbchen träufeln. Doch als mein absoluter Favorit kann ich in ein Teströhrchen spucken. Bei all diesen babyleichten Tests muss man nach einer Viertelstunde schauen, ob nach dem Kontrollstrich noch ein zweiter Strich erscheint, dann ist man positiv (oje), oder wenn kein zweiter Strich erscheint, ist man negativ (juhu).
„Also los“, denke ich frohgemut, schreite forsch zu meiner Garderobe, fische meinen FFP2-Schnabel vom Haken, setze ihn auf meinen Originalschnabel, klemme die Gummibänder hinter meine inzwischen abstehenden Ohren, zerre meinen Reisekoffer aus der Rumpelkammer und presche hinaus ins Leben, auf der Suche nach einer Apotheke meiner Wahl. Die ist schnell gefunden. Doch was ist das? Leere Öde! Will niemand selbsttesten?
Schwups, da steht die Apothekerin vor mir, ein bisschen bleich und ein bisschen klein und vom Gesamtbild her verzweifelt. Sofort bringe ich mein Anliegen vor: „Ich hätte gerne einen Reisekoffer voll mit Selbsttests zum draufspucken.“
Daraufhin ist sie noch verzweifelter. Hinter ihrem Mundschutz kriecht der Satz hervor: „Wir haben keine Selbsttests“, und eine Träne rollt ihr in den Mundschutz.
Ich bin fassungslos und mir spahnt Übles, als ich sage: „Das ist doch Spahnsinn! Erst alles versprechen, und jetzt ist nix da. Kann man denn wirklich nirgends diese Selbsttests kaufen?“
„Doch“, sagt die gebeutelte Apothekerin, „Aldi hat sie im Angebot.“
„Danke“, brülle ich, dass mein Schnabel vibriert, drehe mich um und öffne die Tür.
Da höre ich ihre Stimme: „Sie brauchen sich nicht zu beeilen, die ganzen Tests sind schon seit Stunden ausverkauft.“
Ich sage nichts, schließe die Tür höflich und trotte nach Hause, hänge meinen FFP2-Schnabel an die Garderobe, setze mich in meinen Sessel im Wartezimmer, wie ich mein Wohnzimmer scherzhaft nenne, und warte auf bessere Zeiten.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. „Das Wartezimmer für bessere Zeiten“ ist die ideale Devise für die corona-gestresste Zeit… Was bleibt uns ansonsten ?
    Ergeben wartende Charlotte

  2. Lieber Johannes,
    Du hast dich wieder selbst übertroffen. Ich musste wirklich herzhaft lachen. Vor allem über den FFP2 Schnabel. Dieses Bild ist so herrlich getroffen, so echt. Überall in den Gassen laufen Sie umher, die Schnabeltiere. Für mich am unverständlichsten wenn ich bei einem Spaziergang im Wald Menschen treffe, die allein spazieren gehen, mit einem FFP2 Schnabel. Aber jetzt habe ich es verstanden…. sie passen sich einfach an die anderen Schnabeltiere an. Jetzt habe ich es verspahnden. Danke!

  3. Vielen Dank für dieses wunderbare Geschichte, die wir sehr gut mitfühlen konnten! Dieser ständige Wechsel zwischen neuer Hoffnung und der trüben Realität hohler Versprechen. Haben herzhaft gelacht – spahnsinnig lustig!
    Also Schnabel auf den Schnabel (herrliches Bild) und weiter suchen nach den Selbsttests!

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