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Aller Anfang ist schwer …

Anlässlich meines 71. Geburtstages möchte ich heute in meinem Frühschoppen folgende Anekdote aus meinen Anfängen als Künstler zum Besten geben:
Ich war Ende zwanzig und hatte gerade mein Stegreiftheater entwickelt. Man hatte mir auf dem Freiburger Theaterfestival als Straßenkünstler eine Möglichkeit des Stegreiftheaters eingeräumt. Ich war auf der Straße so erfolgreich, dass die Freiburger Stadttheater-Leiter mir einen Theatercafé-Termin Samstagabends um 23 Uhr überließen. Das typische vornehme Theaterpublikum blickte gespannt auf die Bühne, was ich da zu bieten hatte. Sie saßen an runden Tischen, tranken viel und merkten sehr schnell, dass ich nicht viel zu bieten hatte. Als sie bemerkten, dass ich ihre Ideenvielfalt brauchte, schnurrten sie zusammen, wurden blöde bis bösartig und ich konnte mich in dieser für mich absolut neuen und ungewohnten Situation nicht zurechtfinden. Zu sehr hatte ich die Straßensituation mit kreativem Publikum als befreiend erlebt.
Es kam, wie es kommen musste: Mit niedriger Frustrationstoleranz, mit der ich damals gesegnet war, fing ich an rumzupöbeln. Das ließen sie sich nicht gefallen, pöbelten zurück, und dann kam der Höhepunkt der Show: Sie drehten sich um, so dass sie mit dem Rücken zu mir saßen, und plauderten immer lauter werdend ihren eigenen Stumpfsinn und fühlten sich wohl, mit ihren Tischnachbarn angeregt zu plaudern. Da kam mir der Moderator des Abends zur Hilfe und stellte einen Jongleur vor als zweiten Teil des Abends, der natürlich mit mir nicht abgesprochen war. Dafür war der Moderator so nett, mich durch einen Hinterausgang aus dem Theater hinauszubegleiten. Und er raunte mir noch zu: „Jetzt müssen Sie nicht mehr durch den Theaterraum gehen und können gleich hier unerkannt raus.“
Die 250 Mark, die ich hätte bekommen sollen, und die freien Getränke, die ich hätte genießen dürfen, sprachen wir beide nicht weiter an.
Auf dem Heimweg dachte ich noch: „Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, als Deutschlehrer im Goethe Institut zu arbeiten.“
Noch oftmals in meiner weiteren Schauspielkarriere kreuzten diese Gedanken meinen Weg. Doch ich ging beharrlich den Weg des freien Spielers und versuchte, auch andere Menschen für das freie Spiel zu begeistern.
Und heute an meinem 71. Geburtstag blicke ich auf meine Gruppenmitglieder und frage mich: Hätte ich mich vielleicht damals doch lieber zum Deutschlehrer entscheiden sollen?! 

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. …da wäre die Welt um einige Gedankenanschübe, Hintersinniges und wunderschöne Lyrik ärmer gewesen… In diesem Sinne, alles gut so wie es war.

  2. Einen Deutschlehrer hätte ich zwar gebrauchen können, aber dann hätte ich vermutlich das lebendige an der Körper-Sprache verpasst …

  3. Johannes ich danke dir,
    du hast mir gerade etwas geschenkt am, was ich schon lange verloren habe… Hoffnung.

    Ich wünsche dir einen zauberhaften Geburtstag

  4. Ein Deutschlehrer hätte ja platzen müssen mit all dieser unglaublichen Fülle an Humor, Liebe, Lebensweisheit, Klugheit, Vielseitigkeit, Spass und Spiel! Ich könnte da immer weiter aufzählen. Herzliche Glückwunsche und großen Dank, dass es Dich gibt!

  5. In der Tat: auf junge Splel-Talente warten Hürden aller Art. Manchmal erschwert auch ein distanziert-arrogantes Publikum den Spielfluß.
    Früher hatten es „Impro-Talente“ auch noch schwerer.
    Der Bühnen-Boden wenig dafür vorbereitet!

    Wie auch immer – Du hattest Erfolg!

    Grüße aus „de Palz“
    Manfred Dechert

  6. Zu Deinem 72. nachträglich herzliche Gratulation. Es gibt ja so viele Gebiete in denen wir (im Alter) unser Multitalent mit mehr oder weniger Erfolg noch entfalten können, wenn die Gesundheit es erlaubt. Darum hoffe ich, dass uns die Lebenskräfte und Lebensfreude dazu noch lange erhalten bleiben. Liebe Grüsse aus Züri.

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