In der Virenschule
Neulich hatte ich einen Traum. Also, ehrlich gesagt bin ich nicht der Typ, der seine Träume veröffentlicht. Ich halte es da eher mit altklugen Sprichwörtern wie „Träume sind Schäume” oder „Träume sind wie Schall und Rauch”. Allerdings widersprechen mir viele namhafte und auch namenlose Psychologen mit dem deutlichen Hinweis, Träume seien verschlüsselte Informationen des Unterbewusstseins. Natürlich bezweifle ich das, denn ein Unterbewusstsein liegt ja dem Wort gemäß unter meinem Bewusstsein und ich kann es also mit meinem Bewusstsein gar nicht erfassen. Bei dem Traum allerdings, den ich ausführlich schildern will, handelt es sich um ein so merkwürdiges Thema, dass mein Traum vielleicht doch eine Bedeutung hat. Und da im Mittelpunkt des Traumes viele Corona Viren standen, ist ja vielleicht eine Botschaft in dem Traum enthalten, die an meinem Bewusstsein vorbei für die Menschheit wichtig ist.
Nun bemerke ich schon, dass die Leserin und der Leser dieser Zeilen vor Aufregung vibrieren und mich anflehen, doch endlich die Katze aus dem Sack beziehungsweise den Traum aus dem Unterbewusstsein rauszulassen. Hier ist er endlich:
Es war ein ganz normaler Alltag in der Virenschule. Wir kleinen Virenschüler saßen dicht gedrängt in kleinen Schulbänken und hatten Mini Laptops vor uns zum Mitschreiben. Vor uns am Virenlehrerpult stand ein ziemlich aufgeblasener Lehrervirus. Er war schon alt, ein bisschen gebeugt, hatte eine vernuschelte Sprache, eine Brille und kurzgeschnittene Haartracht, schon leicht ergraut. Ansonsten typisch Virus, eine Form wie ein Kugelfisch und überall Ausstülpungen in den Farben violett, blau, weiß, rot. Wegen des Alters waren die Farben schon ziemlich verblasst. Die Pädagogik, die der Lehrervirus anwandte, war ziemlich stupide. Kein moderner interaktiver Unterricht, sondern dummdreistes Wiederholen. Hier ein Beispiel:
Lehrervirus: „Ihr müsst wachsen!”
Wir alle im Chor: „Wir müssen wachsen!“
Lehrervirus: „Ihr müsst euren Gastwirt lange am Leben halten!“
Wir alle im Chor: „Wir müssen unseren Gastwirt lange am Leben halten!“
Lehrervirus: „Ihr müsst euch durch Zellteilung vermehren!“‘
Wir alle im Chor: „Wir müssen uns durch Zellteilung vermehren!“
Lehrervirus: „Wenn die Menschen euch wegimpfen wollen, müsst ihr mutieren.“
Hä? Ich blickte zur Seite, überall fragend ungläubige Gesichter. Was ist denn mutieren? Einige von uns meldeten sich, aber der Lehrervirus war sturköpfig und brabbelte weiter, ohne die Meldungen zu berücksichtigen: „Ihr dürft euer Genom nicht sequenzieren lassen. Euer Genom ist und bleibt euer ureigenstes Geheimnis.“
Und er sprach weiter, obwohl wir alle aufgehört hatten, seine Lehrsätze zu wiederholen: „Denn wenn sie euer Genom entschlüsselt haben, können sie einen Impfstoff basteln, der euch wegfegt wie ein Laubgebläse den Straßendreck!“
Wieder verstand ich nichts. Genom … Was sollte denn das sein? Sequenzieren … Impfstoff … Wovon sprach der Lehrervirus?
Ich klappte meinen Laptop zu und lauschte dem Tumult, der um mich herum entstanden war. Da sprang mich die Erkenntnis von hinten an, dass ich in dieser Klasse keine Chance hatte, mitzukommen. Viele waren Fortgeschrittene, grinsten überheblich und hämmerten Weisheiten in ihre Laptops. Aber einigen erging es so wie mir.
Alle klappten nun die Laptops zu und wir verabredeten uns. Wir wollten in der Pause in der Bibliothek nachlesen, was Mutationen seien, wie man mutiert und wie man dem vermaledeiten Sequenzieren der Genome durch die mikroskopäugigen menschlichen Wissenschaftler durch Geheimhaltung der Sequenzierung entkommt.
Kurz danach begannen wir eine heftige Diskussion in der Bibliothek. Unsere aktuellste Frage war: Sollen wir mutieren? Ich war dafür und schlug vor, uns verschiedene Namen zu geben: Alpha, Beta, Gamma … aber ich kam nicht durch mit meiner guten Idee. Ein bisschen beleidigt zog ich mich aus der Diskussion zurück und dachte trotzig: „Ihr werdet schon noch sehen!“
Und genau in diesem Moment nahmen sie meine Idee doch auf. Ein paar wollten Alpha sein, andere Beta, einige Gamma, die meisten Delta. Ich aber, ein Virus von ausgesprochener Individualität, wollte Epsilon sein.
Als ich dann aufwachte, fühlte ich mich merkwürdig einsam und ausgeschlossen, also, ich meine: Irgendwie Epsilon.
Lieber Johannes,
ein höchst inspirirender Traum, der mich verleitet, zu träumen, ich wär dabei.
Sozusagen eine träumende Virenmutation.
Charlotte
Ach Gottchen ist das süß… Da bekommt man ja direkt Mitgefühl für die kleinen Viren. (Die sind ja völlig lost)
Mein Mitleid hält sich allerdings in Grenzen… (@;
Ich bin zwar kein Experte, nur wie ich einmal im „Homeschooling“ gehört habe, können Viren auch als Beschleuniger für Evolution dienen…
… und vielleicht (mit viel Glück) dreht einer dieser armen Teufel wieder um und wird zum „Engel“
Mir hat der kleine Corona auf jeden Fall voll den tollen Tritt in den Hintern gegeben….
Es macht einfach sooo viel Spass deinen Geschichten zu lauschen… Selbst wenn ich oft nur Bahnhof verstehe… mir wird da einfach warm ums Herz.