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Ein Gläschen in Ehren … 

Wieder einmal kehrte ich abends nach arbeitsreichem Tag aus Entspannungsgründen bei meinem lieblingsitalienischen Restaurant ein. Francesco, der Kellner, kannte mich und brachte sofort, als er mich sah, eine Flasche Pinot Grigio. Er blickte mich fragend an, wohin ich mich setzen wollte. Da fiel mein Blick auf eine wirklich ausnehmend schöne Frau. Ich wollte mit meinem Blick unauffällig über sie hinweggleiten, um erste visuelle Informationen abzurufen, da fing sie meinen Blick auf, hielt ihn fest und lächelte mich freundlich an. Geistesgegenwärtig trat ich auf sie zu und fragte höflich: „Ist der Platz Ihnen gegenüber noch frei?“
Wortlos blickte sie auf den Platz, was ich körpersprachlich klar als ein „Ja“ deutete. Na, das fing ja furios an. Mein Gott, das würde ein Abend werden.
„Nunja“, dachte ich selbstgefällig, „ich bin ja auch echt attraktiv und mir steht auch ein bisschen Glück zu!“
Francesco stellte die Flasche Wein und das Weinglas auf meinen Platz und blickte mich fragend an. Sofort reagierte ich und fragte die Schöne: „Darf ich Sie auf ein Gläschen Wein einladen?“
Sie verneinte und nippte an ihrem Mineralwasser. Da hätte ich schon gewarnt sein müssen. Ja, wirklich. Flucht wäre das Beste gewesen. Ich hätte es ahnen müssen. Aber nein, ich ahnte nichts. Schönheit blendet und ich war voll in die Falle getappt. Aber so ist das mit Fallen: Erst, wenn sie zugeschnappt sind, bemerkt man sie.
Also prostete ich ihr linkisch zu, um mir voller Vorfreude die ersten Schlucke meines köstlichen Wohlgetränks einzuverleiben.
Währte mein Genuss lange? Weit gefehlt. Meine mit jedem Schluck schöner werdende Gegenüber entpuppte sich als professionelle Spielverderberin.
Belehrend eröffnete sie ihren Monolog: „Alkohol ist ein Lösungsmittel. Sie versuchen, irgendein Problem zu lösen, aber nehmen den falschen Weg.“
Sie blickte mir tief in die Augen und ich dachte schon, nach meinem verunglückten Einstieg würde alles vielleicht doch noch gut werden.
Aber sie sprach mit sanfter, einnehmender Stimme: „Wissen Sie, dass Sie Alkoholiker sind?“
Ich fiel aus allen Wolken. Ein so hartes Wort für meine kultivierte Angewohnheit, hie und da ein Gläschen Wein zu trinken. Was sollte das? Wollte sie mich anmachen? Fertigmachen? Oder was war ihr Plan? Mich hinter einem Sprichwort versteckend, antwortete ich: „Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren.“
Sie lachte. Aber nicht glockenhell, wie ihre hübschen Gesichtszüge hätten vermuten lassen, sondern eher scheppernd, wie wenn ein Küchenregal mit Blechschüsseln zusammenbricht.
„Sie trinken bestimmt drei Flaschen die Woche.“
Ich rechnete kurz nach: Zwei Gläschen am Tag sind ein halber Liter. Sind in der Woche dreieinhalb Liter. Sind fast fünf Flaschen. Abwehrend hob ich die Hände und sagte: „Höchstens zwei Flaschen.“
Wieder lachte sie und ein weiteres Küchenblechschüsselregal fiel krachscheppernd zu Boden. Was sollte das alles? Was wollte sie? Als ob sie meine Gedanken gehört hätte, sagte sie: „Ich will Ihnen helfen.“ Charmant lächelnd erklärte sie mir: „Sie sehen intelligent aus. Richtig nett. Da möchte man verhindern, dass, wenn Sie weiter so viel trinken, Ihr Geist verrottet.“
Also mit dem intelligenten Aussehen und nett hatte sie natürlich recht. Aber verrottet? Mein Geist würde doch nicht verrotten. Seit wann verrottet Geist durch Alkohol? Im Gegenteil – heißt es nicht „Geistige Getränke“?
Das wollte ich ihr gerade charmant vermitteln. Genau in diesem Moment verschluckte ich mich. Aber richtig. Ich musste auch noch niesen, so dass mir der Wein aus den Nasenlöchern wieder rauslief.
Dann erhob sie sich und sagte: „Ich habe Sie hoffentlich aufgerüttelt. Ich habe Ihnen einen Schock verpasst und es kommt jetzt darauf an, was Sie daraus machen.“
Sie lächelte freundlich und ging. Sie war kaum zur Tür draußen, da rief ich nach Francesco. Als der beflissen an meinen Tisch trat und mir eine Serviette zur Nasenreinigung reichte, fragte er mich: „Was war das?“
Wahrheitsgetreu antwortete ich ihm: „Sie hat mir einen Schock verpasst.“
Francesco runzelte die Stirn und fragte: „Und?“
Gedankenverloren antwortete ich ihm, inzwischen mit geputzter Nase: „Ich muss mit dem Schock fertig werden.“
Geduldig fragte Francesco: „Und wie kann ich dir dabei helfen?“
Grinsend sagte ich: „Bring mir einen Kognak … einen doppelten!“ 

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