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Der Schlafmittel Hit

Neulich besuchte ich wieder einmal Oma. Oma ist achtundachtzig. Das letzte Mal war ich vor drei Monaten bei ihr gewesen und sie hatte mir gar nicht gefallen. Irgendwie nervös, unruhig, flattrig. Sie hatte mir erklärt, das käme von ihrem schlechten Schlaf. Ich zuckte mit den Schultern. Von Durchschlafproblemen wusste ich ein Lied zu singen. Von Einschlafproblemen sowieso. Als ich sie diesmal sah, fiel mir sofort ihre Ruhe auf, ihre roten Wangen, mit einem Wort: Ihre Ausgeglichenheit oder besser gesagt: Ihre Ausgeschlafenheit.
„Oma“, rief ich völlig überrascht, „du siehst ja total gesund aus!“
Sie lächelte mich an und sagte: „Seit zwei Wochen schlafe ich jede Nacht durch.“
„Nein“, sagte ich kopfschüttelnd, „Oma, das kann doch nicht sein!“
„Doch“, sagte sie, „glaub mir nur, ich habe ein absolut wirksames Schlafmittel gefunden.“
„Oma“, schrie ich, „gib es mir.“
„Komm“, lachte sie abenteuerlustig, „lass uns gleich ausprobieren, ob es bei dir auch so stark wirkt.“
Was war ihr Wundermittel? Ich war gespannt, welche neuen Schlaftabletten sie entdeckt hatte. Wie verdutzt war ich, als sie, anstelle eine Schlaftablette hervorzukramen, verschmitzt lachend ihren Laptop startete und eine Sendung aus irgendeiner Fernseh-Sender-Mediathek anklickte.
Jetzt fläzten wir uns ins Sofa und kuschelten uns in ihre warme Wolldecke ein, und kaum hatte ich von ihrem köstlichen Weißwein genippt, da flimmerte das Bild auch schon forsch auf und der Ton rauschte ins Zimmer. Was war das für eine Sendung? Es war die Abfilmung einer Rede auf einer Konferenz für Sicherheit, Zusammenarbeit und Friedenskoordinationspräventionsgespräche, gehalten von dem derzeitig amtierenden Bundespräsidenten, der sich auf Absichtserklärungen spezialisiert hatte. Ich schaute Oma ungläubig an und fragte sie: „Oma, seit wann interessierst du dich für Politik?“
Sie lächelte geheimnisumwittert und sagte: „Warte mal ab.“
Da fing der Redner an mit einer breit hingeschwalmten Absichtserklärung, die anderthalb Stunden dauern sollte. Oma schlief nach drei Minuten schnarchend ein. Kaum kam ich aus dem Staunen heraus, da schlief ich selbst ein. Ob schnarchend, weiß ich nicht genau. Aber ich war noch nicht im vollen Tiefschlaf, sondern einige Satzfetzen, die ich noch aufschnappen musste, gähnten sich durch mein Hirn.
Das hörte sich so an: „Also, ich meine, die Demokratie ist ja … äh … sozusagen eine Rechtsform, die … äh … vom Volk ausgeht und dadurch … äh … darauf bedacht ist, die Sicherheit … äh … auf den ersten Platz der … äh … Prioritätenliste zu … äh … setzen … Gerade bei einem Waffenstillstand ist es … äh … wichtig, dass die Waffen … äh … schweigen, und deswegen ist es … äh … wichtig, dass die Diplomatie einen … äh … Waffenstillstand fordert … Es muss uns mit aller … äh … Kraft gelingen, die Probleme dort … äh … zu bekämpfen, wo sie entstehen.“
Nach all diesen rhetorischen Leckerbissen erreichte ich locker und entspannt den Tiefschlaf. Mein Gott, was für ein Wundermittel. Oma und ich schliefen sage und schreibe von abends zwanzig Uhr bis morgens um sechs Uhr. Die Sendung war inzwischen fünfeinhalb Mal durchgelaufen.
Oma kochte für uns beide einen pechschwarzen Kaffee. Ich schlürfte ihn entspannt und die aufputschende Wirkung trieb mich dankbar fort von Oma ins Café Rübenschwengel, das um sechs Uhr aufmacht und in dem ich oft nach durchzechter Nacht frühstücke. Und siehe da, der Stammtisch war schon voll besetzt. Meine Kumpels empfingen mich mit großem Hallo und ich erzählte ihnen sofort und ungestüm und freudig umjubelt von meinem neuesten Mittel für tiefen, entspannenden Schlaf, der so wichtig für umfassende geistige Gesundung ist. 

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. da kann ich nur voll zustimmen. In meinem Fernsehsessel sitzend habe ich damit schon wertvolle Schlafmomente verbracht. Das Angenehme dabei ist auch: Man versäumt einfach nichts.
    Ein Problem sehe ich allerdings bei dieser hervorragenden Schlafunterstützung. Wie kann ich sie in meinem Bett nutzen? Vor allem, wenn unser heilendes stromsparendes System nachts alle Elektrizität abschaltet?

  2. Bei uns sind die Banken Bosse , Käufer und Verkäufer, Bankenretter Wirtschaft Lobbyisten Volksvertreter. ein und die selben, ist auch noch lustig, nur die Dummen sind sie Steuerzahler. Gruss aus der Schweiz.

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