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Papagalli erzählt, wie er mal in einem Delikatessengeschäft einkaufen war und rausgeschmissen wurde

Einmal hatte ich Lust auf Parma Schinken. Ich hab das öfters, da kommt eine Lust aus heiterem Himmel auf mich hernieder und zwingt mich zur hemmungslosen Lustbefriedigung. Diesmal war’s Parma Schinken. Es war um die Mittagszeit und ich machte mich auf zu Feinkost Michelmann. Zu Feinkost Michelmann gehe ich fast nie, denn der ist viel zu teuer. Aber diesmal musste ich doch hingehen. Es sollte mein letzter Besuch im Feinkostladen Michelmann gewesen sein.
Ich hatte scheinbar Glück, denn nur eine alte Dame war vor mir. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht wissen, dass ich in Wirklichkeit Pech hatte. Denn hinter diese Dame geraten zu sein, war so schlimm, wie in einer zwanzig Meter langen Schlange im Baumarkt anstehen zu müssen.
Ihre schrille Stimme zwang einen zum zuhören. Ich will es sehr kurz gefasst weitergeben: Sie war auf ihrer Yacht zwischen Feuerland und Patagonien hin und her gekreuzt, also nicht sie, denn sie hatte ja einen Kapitän angeheuert, und der hatte sie in einer Bucht an Land geführt, und da hatte sie einen köstlichen Fisch gegessen. Also der Fisch war nach Landessitte gesalzen und gedörrt, aber hatte köstlich geschmeckt. Leider habe sie den Namen des Fisches vergessen, wolle jetzt aber versuchen, diesen Fisch wiederzufinden.
Der Verkäufer war nicht zu beneiden. Ich meine, ich war auch nicht zu beneiden, hinter diese Labertasche geraten zu sein, aber er noch weniger, weil er vor die Labertasche geraten war und jetzt nach ihrer Pfeife tanzen musste. Er musste viele Fischkonserven aus dem Lager hervorkramen und ablesen, wo dieser Fisch gefangen worden war. Feuerland oder Patagonien waren noch nicht dabei gewesen.
Als kein Ende abzusehen war, wurde ich unruhig und betrachtete mir die Dame genauer: Nerzjäckchen, Diamantbrosche, Smaragdohrringe, die ihre Ohrlappen bis auf die Schultern zogen, Ringe, die um ihre Finger schlackerten, an jedem Handgelenk eine Uhr, so teuer wie ein Kleinfamilienhaus.
Dann verlor ich die Nerven. Mit unfreundlicher Stimme sagte ich: „Ja, haben wir’s bald?“
Das war natürlich ein Fehler. Ich merkte es an der Reaktion des Verkäufers, der zusammenzuckte. Sie drehte sich langsam um, ganz langsam. Sie maß mich von Kopf bis Fuß mit einem wutentbrannten Blick. Dann drehte sie sich wieder von mir weg und sprach zu dem Verkäufer: „Entschuldigen Sie bitte, ein Geschäft, in dem es erlaubt ist, dass man von Pennern angesprochen wird, ist nicht mein Geschäft. Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich Ihr Geschäft in Zukunft nicht nur meide, sondern auch unter keinen Umständen weiterempfehle. Guten Tag!“
Mit erhobenem Haupt schritt sie zum Ausgang. Ihren gefüllten Einkaufskorb ließ sie auf der Theke stehen.
Der Verkäufer herrschte mich an: „Vielen Dank, du Penner! Weißt du, wer das war?“
„Keine Ahnung“, sagte ich wahrheitsgemäß. Ich muss ehrlich zugeben, dass es mich hart traf, schon zum zweiten Mal „Penner“ genannt worden zu sein. Nun gut, ich hatte über meinen Schlafanzug einen alten Mantel gezogen, und meine nackten Füße steckten in bequem ausgelatschten Pantoffeln. Ich war nicht rasiert und nicht gekämmt. Aber deswegen bin ich doch noch lange kein Penner. Schließlich habe ich einen festen Wohnsitz.
Außer sich vor Wut schrie der Verkäufer: „Das war Frau Manteuffl! Wenn die hier einkauft, lässt sie immer mindestens einen Tausender hier. Was willst du überhaupt, du Penner?“
Das war ein Mal „Penner“ zu viel. Mir reichte es. Stolz erhobenen Hauptes schritt ich zum Ausgang und zitierte Frau Manteuffl: „Entschuldigen Sie bitte, ein Geschäft, in dem es erlaubt ist, einen ordentlichen Mitbürger ‚Penner‘ zu nennen, ist nicht mein Geschäft. Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich Ihr Geschäft in Zukunft nicht nur meide, sondern auch unter keinen Umständen weiterempfehle. Guten Tag!“
Die Fischkonserve flog knapp an meiner linken Schulter vorbei. Ich war froh, draußen zu sein, und war entrüstet über das schockierende Erlebnis. Mein Appetit auf Parma Schinken war mir vergangen. 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Lieber Johannes Galli, ich liege in Kroatien am Strand. Habe meinem Mann diesen Blog vorgelesen. Immer wieder amüsieren uns Ihre Geschichten.
    Vielen Dank dafür.
    Freuen uns schon jetzt auf die neuen Stücke ab nächsten Monat im Theater in Wiesbaden!
    Alles Liebe
    Roswitha und Benjamin

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