Wann kommt die Novemberhilfe?
Zum besseren Verständnis meines Ärgers muss gesagt werden, dass ich ein kleines Privattheater in Hessen leite. Das ist natürlich jetzt aus Lockdown Gründen beziehungsweise Shutdown Gründen beziehungsweise Shutup Gründen geschlossen. Also Aufführungen sind verboten. Auch mit Mundschutz und Abstand läuft nichts. Rien! Nada! Niente! Nothing!
Und nun hat die Bundesregierung Mitleid entwickelt und gesagt, wir kriegen Geld, und zwar 70% von dem, was wir im letzten November verdient haben. Jetzt habe ich das ausgerechnet. Oha! Im letzten Jahr hat der Laden um die Weihnachtszeit herum gebrummt. Da hat das ganze Ensemble sich an den Händen gepackt, Ringelreihen getanzt und inbrünstig gesungen: „Juhu, juchhe, juchheißaßa, der Profit reicht für’s ganze Jahr!“
Und dieses Jahr leere Kassen, leere Sitzreihen, leere Bühne, soweit das Auge reicht.
Aber immerhin, die Regierung signalisiert Hoffnung. Und dann am 25. November greife ich zum Telefon. Und Achtung, jetzt kommt’s ! Da antworten mir alle Verantwortlichen, die ich nacheinander angerufen habe, dass die Formulare für den Antrag im November noch nicht zur Verfügung stehen.
Was? Noch nicht mal die Antragsformulare sind fertig? Außerdem teilt man mir wie nebenbei mit, dass die Formulare so kompliziert sein werden, dass sie nur von Steuerfachleuten korrekt ausgefüllt werden können.
„Oje“, weine ich zerknirscht. Wo krieg ich denn jetzt einen Steuerfachleut auf die Schnelle her? Und dann werden auch noch Fehler gemacht in der Antragstellung. Und dann geht’s wieder zurück an uns, und dann geht’s wieder einen Schritt vor und dann wieder zwei Schritte zurück und so weiter … So kommt man doch nie ans Geld! Und die Miete drückt, die Nebenkosten drücken und die Decke fällt einem auf den Kopf.
Ist das nicht gemein? Da posaunen sie durch die Presse herum, wunders wie sie sich um uns Kulturschaffende kümmern, und jetzt das! Im Regen stehen lassen. Gut, aber ich lass ja mit mir reden, dann hoffe ich eben auf die Dezemberhilfen. Und wenn die sich verzögern sollten, von mir aus hoffe ich auch dann auf die Januarhilfen. Und wenn im Februar noch immer kein Schotter geliefert wird, lasse ich mich umschulen. Ich dachte da an Flugbegleiter bei Lufthansa, oder? Die fliegen ja auch nicht und kriegen Milliarden reingeschoben. Oder ich heure bei Mercedes als Autobauer an. Die kriegen nämlich auch Milliarden reingeschoben.
Oder wenn alle Stränge reißen, setzte ich auf meine freundlichen Mitbürger, setze mich unter eine Autobahnbrücke zu anderen Künstlern, stelle vor mir umgekehrt einen Hut hin und hoffe auf die Gnade der Mitbürger. Und wann immer ein Euro in den Hut geworfen wird, sage ich milde und freundlich lächelnd: „Danke für die Novemberhilfe.“
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