Der Piratenolaf
Es war am vergangenen Wochenende. Ich hielt mich gerade in Berlin auf. Ich war Augenzeuge auf einem internationalen Kongress für Kieferchirurgie. Ich meine, ich bin weder Zahnarzt noch Betroffener – aber ich dachte, ich müsste mir mal wieder die große Welt und wissenschaftliche Beiträge reinziehen.
Bereits am Samstag ging mir das Kongress-Kieferchirurgie-Geschwafel, das ich nicht verstand, auf die Nerven und ich beschloss, einen Ausflug nach Potsdam zu machen. Da gibt es frische Luft und viele Bäume, und vielleicht hätte ich ja Glück und könnte den Kanzler beim Jogging treffen. Mir gelüstete nach einem kleinen politischen Plausch mit unserem Bundesolaf.
Ich nahm mir vor, wenn ich ihn träfe, mich auch nicht mit kritischen Worten zurückzuhalten. Auf jeden Fall wollte ich als verantwortungsvoller Bürger dieses unseres Landes von ihm seine politischen Schachzüge erfahren, die ich nicht richtig verstand. Und ich wollte ihm meine Meinung unterjubeln, dass er mal richtig auf den Kanzleramtstisch hauen müsste, so dass das gesamte Kabinett wackelt.
Aus Unterhaltungszwecken las ich im Gehen eine frisch gedruckte Tageszeitung und musste merken, dass ich meine Lesebrille nicht dabei hatte. Man muss wissen, dass ich von Altersschwachsichtigkeit (nicht zu verwechseln mit Altersschwachsinnigkeit) geplagt bin.
Da geschah es plötzlich! Aus dem Gebüsch brach eine Truppe Männer hervor, die wie Leibwächter aussahen.
In ihrer Mitte schrieen sich zwei Männer wild gestikulierend an. Blitzschnell schaltete ich mein Hörgerät ein, das ich aus Batteriespargründen ausgeschaltet hatte. Trotzdem verstand ich nur Satzfetzen: „Steuersenkungen für die Wirtschaft“ … „Nein, auf keinen Fall, nicht mit mir“ …
Ich fluchte, dass ich meine Lesebrille nicht dabei hatte, und alles nur verschwommen sah. Plötzlich lag der eine am Boden. Der andere musste zugeschlagen haben. Mehr hab ich nicht gesehen.
Einige BKA Agenten traten auf mich hinzu und ich wollte mich gerade als Augenzeuge aufdrängen. Da winkten sie ab und sagten: „Wir brauchen keine Augenzeugen und legen Ihnen nahe, dass Sie nichts gesehen haben. Ist das klar?“
Wahrheitsgemäß schwor ich ihnen, nichts gesehen zu haben, und gab ihnen mein Ehrenwort darauf.
Am Montag kam es dann in den Nachrichten: Bundeskanzler Scholz sei beim Joggen gestürzt und müsse die nächsten Wochen eine Augenklappe tragen.
Da ich geschworen hatte, nichts gesehen zu haben, hielt ich meinen Mund. Obwohl es mich schon reizte, all jenen, die mich nicht fragten, meine Wahrheit zu berichten.
Als ich dann in den Nachrichten hörte, dass Habeck mit diesem Vorfall nichts zu tun habe, begann ich langsam, zu glauben, dass der Kanzler wirklich beim Jogging aufs Auge gefallen war …
Mich erinnert er an den US-amerikenischen Humoristen Oliver Hardy.