Die Innehalten-Übung
Ohne Probleme können sich die Menschen mittels ihrer Vorstellungskraft schwelgerisch in ihre Vergangenheit versetzen und planerisch in ihre Zukunft. In der Gegenwart sind sie jedoch selten anzutreffen.
In diesem Blog stelle ich eine Übung vor, die dem Übenden hilft, in den Moment zu kommen. Mit dem Bewusstsein für den Moment erscheint auch das Bewusstsein für das momentan dominierende Kellerkind.
Ich nenne die Übung: „Die Innehalten-Übung“.
Von Herzen wünsche ich den Übenden, dass sie Moment für Moment der eigenen Wirklichkeit Schritt für Schritt näher kommen.
Im Folgenden formuliere ich die Innehalten-Übung:
An verschiedenen Punkten im Tagesablauf, die man beliebig wählt, hält man inne. Mit dem tiefen Einatmen stellt man sich die Frage: „Was empfinde ich gerade?“
Man spürt in sich hinein, welche körperlichen Empfindungen man gerade hat. Hunger, Durst, Schwitzen, Frieren, Muskelverspannungen, Schmerzen, erotische Regungen …
Beim Ausatmen gibt man sich selbst die Antwort.
Beim nächsten tiefen Einatmen stellt man sich die Frage: „Was denke ich gerade?“
Man fragt sich nun, welche Gedanken einem gerade durch den Kopf kreisen. Dies sind meist Gedanken, die man gar nicht abstellen kann – Gedanken aus dem Alltag: Aufgaben, die man noch erledigen muss, Aufgaben, die man falsch erledigt hat, Besorgungen, die man noch machen muss, Ämter, denen man noch eine Antwort schuldet, verantwortliche Aufgaben, die man übernommen hat, Pläne, die man noch für den nächsten Tag machen muss, Pläne, die man noch für die nächste Woche machen muss …
Beim Ausatmen gibt man sich selbst die Antwort.
Beim dritten tiefen Einatmen stellt man sich die Frage: „Was fühle ich gerade?“
Man betrachtet das komplexe Beziehungsgeflecht, in dem man sich gerade befindet: Lebenspartner, Geschwister, Kinder, Eltern, Kollegen und Freunde. Man blickt tief in sich hinein, um genau auszuloten, welche dieser meist komplizierten Beziehungen welche Gefühlsregungen derzeit in einem auslösen: Trauer, Ärger, Wut, Angst, Ekel, Scham, Vertrauen, Freude, Fröhlichkeit … Außerdem reflektiert man, welche Gefühle zu wem Energie spenden oder Energie rauben.
Beim Ausatmen erscheint die Antwort.
Dieses Innehalten sollte täglich mehrmals geschehen und nicht länger als drei tiefe Atemzüge dauern. Das Aufschreiben kann natürlich etwas länger dauern. Denn das alles in Worte zu fassen, nennt man: Mit sich selbst sprechen lernen. Und wir können nicht kommunizieren lernen, bevor wir nicht mit uns selbst kommunizieren können. Und dazu müssen wir innehalten können.
Lieber Johannes,
ich habe heute bereits zweimal die Innehalten-Übung gemacht und merke, dass es gar nicht so einfach ist zu unterscheiden, was ich empfinde, was ich denke und was ich fühle. Aber das bewusste Atmen und „innehalten“ bringt eine innere Ruhe, die mir bisher gefehlt hat in meinem Alltag. Es tut gut mit sich selbst zu sprechen! Ich habe auch soeben das Buch „Innehalten – Eine Übung“ von dir hierzu gelesen und bin fasziniert wie du die Unterscheidung von Verstand und Geist aufschlüsselst und dass wir uns mit unseren eigenen individuellen Bildern auch den großen Gefühlen der Welt annähern können. So kann ich durch die Märchen, die ich liebend gerne spiele, lernen, dass alles, was ich erlebe, bereits schon einmal erlebt wurde oder auch im Moment erlebt wird und ich gar nicht so alleine mit meinen Sorgen und Nöten bin.
Vielen Dank für diese Übung, die mich ein Stück näher zu mir selbst bringt! Ich fühle mich heute richtig erfrischt,
Alles Liebe
Heidi
Lieber Johannes,
vielen Dank für diese urwesentliche Übung.
Wie es einigen geht, so geht es mir auch: Ich kenne die Übung, und man illusioniert sich dann, diese auch schon durchgeführt zu haben. Das gleicht der faulen Selbstbeschwichtigung.
Ich gebe ehrlich zu, dass ich vieles von deiner Literatur erst durch das Lehren selbst ernst nehme. Eine so einfach daher spazierende Übung von dir, beschäftigt einen dann das ganze Leben.
Ich werde in all den Weiterbildungen jetzt die Innehalten Übung mit der Atemübung kombinieren und neue Übungen kreieren, um den Zugang zu diesem Urwissen umsetzbare zu machen.
Herzliche Grüße
Gabriele
Recht anspruchsvoll; die Innehalten-Übung, die Gegenwart ist für mich Träumer meistens zu nüchtern.