Kaltwasserschwimmen
So, jetzt ist es passiert!
Wassertemperatur: 19,8°
Lufttemperatur: 17°
Und das in meinem geliebten, ehemals geheizten Freibad, in das ich täglich gehe und dort früher gemütlich bei 24 Grad meinen alten Körper bzw. die Reste davon stählen konnte.
So. Und jetzt fragt die aufgeregte Leserin und der unruhige Leser: Was ist passiert?
Natürlich will ich gleich antworten! Vor einigen Wochen schon kündigte sich die Kaltwasserkatastrophe an. Da stand eine große Schiefertafel mit Kreide beschrieben im Schwimmbad. Das erinnerte mich an meine Volksschulzeit vor 64 Jahren. Keine gute Erinnerung: Schimpfende Lehrer und Eltern, Kopfnüsse, Ohr langziehen, Nachsitzen, Hausarrest. Das ganze Arsenal verstaubten pädagogischen Handwerkszeugs. Aber diese Schiefertafel hier im Schwimmbad glotzte mir so unverschämt ins Gesicht, dass ich spontan stehenbleiben musste. Aber immer noch wollte ich die Botschaft nicht aufnehmen. Wollte lieber gleich ins Schwimmbecken stürmen. Meinen Körper mit Warmwasser umspülen. Meine sehnigen Muskeln spüren, wie sie meinen Fettbauch zwingen, sich Stück für Stück zurückzuziehen. Aber wie gesagt: Die Tafel ließ mich nicht los. Sie schrie mir in mein aufgestelltes Ohr: Lies mich! Lies mich!!! LIES MICH!!!
Und dann las ich es. Und da stand es schwarz auf weiß bzw. weiß auf schwarz:
Liebe Gäste des Freibads,
Angesichts der zuspitzenden Energiekrise leistet unser Freibad seinen Beitrag zur Einsparung. Das Freibad wird auf unbestimmte Zeit nicht mehr mit fossiler Energie beheizt.
Wir danken für Ihr Verständnis und hoffen auf Ihre Treue und hoffentlich noch ein paar warme Tage in der Badesaison 2022
Ihr Freibad-Team
Damals war es noch 34° im Schatten und das Wasser hatte eine Temperatur von 24,9°. Doch dann ging’s los … Der Herbst nahte und täglich wurde das Beckenwasser kalt und kälter. Und heute ist der vorläufige Tiefpunkt erreicht! Wie oben schon bemerkt:
Wassertemperatur: 19,8°
Lufttemperatur: 17°
Das ist ja noch nie passiert, dass mein beheiztes Lieblingsfreibad nicht mehr beheizt wird. Doch halt, da fällt mir ein: Hat unser Wirtschaftsministerlein Herbert Haböck (Achtung: Name wurde aus Datenschutzgründen verändert. Die Redaktion) nicht vor einigen Wochen schon in die Welt hinausgeschnauzt: „Wer im ungeheizten Schwimmbad friert, sollte schneller schwimmen!“?
„Hö, Hö!“, sag ich da nur und lade Herbert mal zu einem Wettschwimmen ein. Mal sehen, ob er schneller schwimmen kann, als er stotternd redet.
Und außerdem muss ich noch etwas Wesentliches anmerken: Das Schwimmen ist vor allem für ältere Menschen ein Allheilmittel. Die Gelenke sind entlastet, die Muskulatur wird aufgebaut, der Atem reguliert. Im Alter ist Schwimmen reine Heilung. Und wir Alten brauchen warmes Wasser, denn unser Herz- und Blutkreislauf können Kälte nicht mehr so schnell ausgleichen wie gesunde junge Körper. Und genau wir werden von Herbert beleidigt und als Gruppe diskriminiert. Gerade er, der große Integrationsminister, diskriminiert uns. Pfui! Schäm dich! Voll die Diskriminierung!
Aber warte nur, Herbert! Auch du wirst alt. Du bist dann zwar lange schon kein Wirtschaftsminister mehr, aber warte nur ab, wenn du eines Tages im eiskalten Wasser deine altersmüden Knochen scheppern hörst! Dann wirst du reumütig denken: „Oh, was habe ich denn da angeordnet? Alter sollte doch nicht die Strafe, sondern der Lohn für ein gelebtes Leben sein.“
Das darf doh nicht wahr sein ! Zum, ersten Mal in diesem Sommer bot sich mir die Gelegenheit, einen Badeanzug zu tragen, um meinen alten Körper ins Freibad gehievt zu bekommen. Die Hiobsbotschaft vom Warmwasserverbot verhinderte das heilsame Eintauchen.
Traurige Wirklichkeit.
Charlotte