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Osterhasi

Mein Opa liebte mich sehr und verwöhnte mich, wo er nur konnte. Ostern war sein Fest, das er für mich jungen Enkel immer zu einem grandiosen Event ausgestaltete.
Ach ja, um den historisch korrekten Zeitrahmen mitzuteilen, muss ich erwähnen, dass ich an diesem Osterfest, das ich hier beschreibe, fünf Jahre alt war. Also vor sechsundsechzig Jahren.
Ostern war damals noch der Höhepunkt des Kirchenjahres und wurde nach alter Tradition gefeiert. Wobei die Frage offen bleibt, was die Christliche Tradition mit Eiersuche zu tun hat … Aber mir ist nicht danach, Keltische Fruchtbarkeitsfeste mit Christlicher Tradition zu vermischen …
Auf jeden Fall war das Osterfest Jahr für Jahr eine Gaudi. Denn Opa Karl hatte am Ostersonntag einen Feldhasen organisiert, dem er ein rucksackähnliches Beutelchen auf den Rücken gebunden hatte. Mir gegenüber behauptete Opa, in dem Rucksäckchen seien die Eier drin, die der Osterhase speziell für mich im Garten verstecke.
Aufgeregt reichte ich meinem Vater mein Eiersammelkörbchen, jagte dem Hasen hinterher und fand in der Tat eine Menge bunter Ostereier, die ich immer wieder Vater überreichte, der sie im Körbchen sammelte. Dass im Körbchen immer nur maximal drei bunte Ostereier waren, irritierte mich zwar, aber in meiner Begeisterung, immer wieder „neue“ Ostereier zu suchen und zu finden, übersah ich, dass mein Vater immer wieder die von mir gefundenen Eier neu versteckte.
Der Feldhase „Osterhasi“, wie ich ihn liebevoll nannte, hatte nur die Aufgabe, mich in Bewegung zu versetzen und von Vaters Eierversteckkünsten abzulenken.
Als die Suche vorbei war, spielte ich mit Vater „Ostereier Kippele“. Das heißt, wir stießen die Eier gegeneinander, und derjenige, dessen Ei dabei eingedrückt wurde, war der Verlierer und musste dem Gewinner das Ei abgeben. Vater gewann alle Zweikämpfe, gestand mir dann aber lachend, dass er mit einem schön bemalten Gipsei in den Eierkampf gezogen war. Und großmütig schenkte er mir eines meiner verlorenen Ostereier zurück.
Es war ein schöner Ostersonntag.
Am Ostermontag fand ein großes Mittagessen statt, zu dem auch Verwandte eingeladen waren. Es gab Feldhase. Der Zusammenhang zwischen Osterhasi vom Ostersonntag, der zu den Nachbarskindern weitergehoppelt war, wie mir glaubhaft versichert worden war, und dem Hasenbraten vom Ostermontag war mir damals noch nicht so klar wie heute … Naja, zum Glück wird man älter und durchschaut immer mehr Zusammenhänge.
Als ich Tage später auf einer Wäscheleine das Hasenfell zum Trocknen aufgehängt sah, begann ich, die richtigen Zusammenhänge zu sehen. So machte ich eine erste Erfahrung, dass alles im Leben geschieht, damit man lernt, die richtigen Schlüsse zu ziehen. 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Da bleibt mir ja der Bissen vom Hasenbraten im Hals stecken. So ein Hasenbraten kann mir schon noch munden, nur die Wahrheit vom Hasi gibt mir zu denken. Das Denken gibt mir zu fühlen, (wie die bittere Wahrheit schmeckt). Das Fühlen gibt mir zu de..äh (zu wollen). Vielleicht will ich doch noch Vegetarier werden? Vielleicht mutiere ich noch zum Osterha.si?? -Da liegt (vor mir) der Has` im Pfeffer und ich weiss nicht mehr, was ich will. – Zum Dessert gibt’s vegane Schokolade-Ostereier.

  2. Danke für die tolle Geschichte.
    Bei uns gab es damals Hühnerfrikasee. Bis ich alt genug war, unseren Hasen auf dem Teller zu erkennen.

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