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Mein Ego will auf und davon

Neulich abends versank ich in meinen üblichen Abendgedanken. Ich dachte wieder mal daran, dass ich doch mein Ego vollständig überwinden müsste. Irgendwie schläferte der Gedanke mich ein und ich dämmerte langsam hinüber ins Reich des ewigen Vergessens. Da hörte ich plötzlich eine Stimme in mir: „Mir reicht’s! Ich haue ab!“
„Halt“, rief ich, „wer bist du?“
Die Stimme schrie zurück: „Ich bin dein Ego und habe es so satt.“
Ich fragte: „Was hast du satt? Komm“, munterte ich mein Ego auf, „sprich dich mal richtig aus.“
Das ließ sich mein Ego nicht zweimal sagen und es legte los: „Auf der einen Seite hängst du sklavisch an mir, kriegst keine Einschätzung hin ohne mich, kriegst überhaupt nichts hin ohne mich. Keine Handlung, keinen Gedanken, kein Gefühl. Auf der anderen Seite dieses ewige mich ablehnende Gelabere: ‚Ich will nicht mehr so egoistisch sein. Nein, ich bin nicht eigennützlerisch. Nein, ich bin kein Egomane. Ich muss mein Ego überwinden’! Was hast du denn sonst noch außer mir? Willst mich dauernd überwinden und hast sonst nix. So, und heute komm ich dir entgegen.“
Verdutzt fragte ich: „Wie, du kommst mir entgegen?“
„Hör zu, ich erkläre dir Trottel jetzt genau, was ich machen werde.“
Den ‚Trottel’ nahm ich meinem Ego übel, aber es fuhr unbeeindruckt fort: „Ich mach es dir jetzt einfach: Ich gehe. Mich siehst du nie wieder.“
„Hallo“, rief ich geschockt, „bleib hier! Du kannst mich doch nicht einfach überrumpeln. Ich bin ja gar nicht vorbereitet. Was soll ich denn jetzt machen? Unter welchen Prämissen soll ich handeln?“
Das Ego antwortete: „Das ist mir so was von egal! Dann mach doch irgendeinen unüberlegten Blödsinn. Mach doch irgendeine scheinbar egolose Tat, sitz tagelang absichtslos rum. Mir soll’s recht sein.“
„Halt“, schrie ich nun schon in leichter Panik. „Was verlangst du, wenn du bei mir bleibst? Lass uns handeln.“
„Das ist schnell gemacht“, antwortete das Ego, „Erstens: Ich will, dass du mich täglich preist; an jeder Stelle deiner Gespräche mich lobend erwähnst. Jenen, die das Ego überwinden wollen, scharf entgegentrittst, um mich kämpfst wie um eine Geliebte.“
„Oje“, dachte ich, „was sollen meine Freunde von mir denken, wenn ich plötzlich einen Egotrip fahre? Ich gelte unter meinen Freunden als sehr sanft und fast erleuchtet …“
Jetzt wurde ich sauer. Was fiel diesem Ego ein, mich so zu erpressen? Zornig drehte ich den Spieß um und fragte angriffslustig: „Aber was machst du ohne mich? Ein Ego, an dem kein Mensch hängt …“
Das Ego ließ sich nicht schockieren: „Mach dir um mich keine Sorgen. Trottel wie dich gibt es wie Sand am Meer. Ich suche mir einen neuen Wirt.“
Ich war baff und sah ein, dass ich doch mit meinem Ego etwas aushandeln musste.
„Also, was willst du? Bring deine Forderungen auf den Punkt.“
Das Ego grinste und sagte: „Schreib bitte sofort folgendes: ‚Ich bin sehr zufrieden mit meinem Ego. Ich bin überglücklich, dass ich es habe. Was wäre ich ohne mein Ego? Ich bin dankbar, so ein faszinierendes Ego zu besitzen. Es ist der größte Schatz, den ein Mensch haben kann.’“
Ich brüllte auf. Wie von Sinnen schrie ich: „Nein, niemals! So einen Blödsinn schreibe ich niemals! Und schon gar nicht hier, wo es veröffentlicht wird!“
„Gut“, antwortete gelassen das Ego, „dann geh ich jetzt. Für immer. Denn genau hier, wo es veröffentlicht wird, ist es wichtig, dass du es schreibst. Aber großmütig, wie ich bin, gebe ich dir noch eine ganz kleine letzte Chance. Ich zähle bis drei. Und noch bevor ich die drei nenne, schreibst du meine Lobpreisung. Ansonsten siehst du mich nie wieder! Eins … zwei …“
Ich bin sehr zufrieden mit meinem Ego. Ich bin überglücklich, dass ich es habe. Was wäre ich ohne mein Ego? Ich bin dankbar, so ein faszinierendes Ego zu besitzen. Es ist der größte Schatz, den ein Mensch haben kann.
Da schmiegte sich das Ego an mich und flüsterte mir zärtlich ins Ohr: „Na also, es geht doch! Das hast du sehr schön geschrieben.“ 

Comments (2)

  1. Verdient liebes Ego diese Lobeshymnen! Bist du doch Freundin und Freund zugleich? Und deinem Wirt in all deiner umfassenden Grösse wohlbekannt? Schwieriger wäre es ja allerdings gewesen, wenn du ihn beherrscht hättest, ohne dass er etwas davon merkt?
    Dr. Brugh Joy sagte dazu :
    „Das Ego ist wie ein Sektkorken, der auf dem Meer tanzt und ruft: „ich bin der Ozean, ich bin der Ozean!“ Also mach munter weiter so! Viel Spass!

  2. Wohl oder übel, `s ist eine Tatsache das eigene Ego werde ich nicht so schnell los. Mit dem Ego des anderen werde ich schon eher fertig nur mit dem eigenen wird das bedeutend schwieriger…

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