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Denkzettel 06 – Gott wollte nicht! 

Es war ein großer Kongress in Orlando, Florida. Orlando ist als eher kleine amerikanische Stadt dennoch sehr berühmt für seine vielen Freizeitparks. Der bekannteste davon ist die Walt Disney World®.
Das Thema des Kongresses, zu dem ich eingeladen war, lautete „Intercultural Understanding“, zu deutsch: „Interkulturelle Verständigung“. Der Vortrag, für den ich engagiert wurde, war „Intercultural Communication And Body Language“, also: „Interkulturelle Kommunikation und Körpersprache“.
Ich warf mich mit allem, was ich hatte, in meinen einstündigen Vortrag hinein, den ich ohne Mikrofon und ohne Manuskript auf englisch hielt. Dementsprechend sprach ich laut und gestikulierte deutlich, wenn ich Beispiele brachte. Die ca. 230 Kongressteilnehmer, die aus aller Welt herbeigeströmt waren, waren immens beeindruckt von meiner Fähigkeit, zu sprechen und gleichzeitig körpersprachliche Situationen zu spielen. Dann beim jubelnden Schlussapplaus konnte ich nicht in meine Garderobe abgehen, sondern musste noch auf der Bühne bleiben, da sich eine Schlange von Interessenten gebildet hatte, die mich persönlich ansprechen wollten.
Viele baten mich um eine Visitenkarte und hatten auch Interesse an schriftlichem Material über meine Methode. So arbeitete ich mich durch die Schlange durch, als drei Herren mit dunklen Brillen, dunklen Bärten, dunklen Anzügen und dunkler Kopfbedeckung auf mich zutraten.
Ich dachte: „Oha! Die arabische Welt hat mich entdeckt!“
Und wirklich, die drei Herren stellten sich vor: Saudi-Arabien war ihr Heimatland und sie wollten mich einladen zu einem Vortrag über Rhetorik. Aufgeregt bestätigte ich ihnen, dass ich Körpersprache und Rhetorik verbinden könnte, und eine Vortragsreihe durch Saudi-Arabien würde meinen Erfahrungshorizont ungemein erweitern. Und dass sie dort Geld wie Rohöl hatten, ließ auch meine Honorarvorstellungen alle gängigen Grenzen sprengen. Sofort entwarf ich ihnen ein Konzept, mit dem sie kulturelle Barrieren verschiedener Kulturen untereinander aufschlüsseln könnten, um so ein besseres Verständnis und friedliches Zusammenleben zu erzielen.
Hier kratzten sie sich nachdenklich an ihren Bärten und schüttelten freundlich lächelnd den Kopf: „Sie verstehen uns falsch, wir wollen keine Integration.“
Inzwischen war ich schon ungeduldig geworden. Das Ende des Gesprächs will ich in der Originalsprache auf englisch wiedergeben. Ich fragte die Herren: „So what do you want?“
Sie grinsten und antworteten: „We want to learn how to talk like Adolf Hitler.“
Sie hielten inne und blickten mir ins Gesicht. Ich ließ mir nichts anmerken, wollte unbeteiligt distanziert und unbeteiligt erscheinen.
Sie aber erklärten: „He was a speaker who could hypnotize thousands of people.“ Und sie fragten: „Can you teach us how to talk like Hitler?“
Kühl erwiderte ich: „No, I cannot!“
Sie blickten sich gegenseitig ratlos an, zuckten dann mit den Schultern, was bedeutete, dass sie mich wohl oder übel in meiner harschen Ablehnung ernst nehmen müssten. Dennoch drückten sie mir mit aufmunterndem Nicken ihre Visitenkarten in die Hand und murmelten auf arabisch: „Inshallah“, was so viel bedeutet wie: „So Gott will!“
In diesem Falle aber wollte Gott nicht. 

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Welch köstlicher Erinnerungsschatz verbindet uns doch mit dem US-Bundesstaat Florida und Orlando. Dem Ort des Mutterhauses des Bibel-Verlags.
    Als junges Ehepaar besuchten wir Bibelhaus 1959 anläßlich der Existenzbildung unserer Familie. Jean-Louis wurde mit seinem Vater einer der erfolgreichsten Verkäufer der Bibel in New Hampshire (und konnte sein Uni-Studium nebenher beenden).
    „Gott wollte nicht“ selbstverständlich in Deiner außergewöhnlichen Geschichte. In meinem Fall rufe ich „Inshallah“.
    Charlotte

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