Denkzettel 04 – „Emotion Actor“
Im Jahre 2003 versuchte ich, in New York City als Management Berater mit meinem Kommunikationstheater Fuß zu fassen. Den Begriff „Kommunikationstheater“ hatte ich für folgende spontane Form des Theaters entwickelt: Ich selbst erzählte und spielte eine Geschichte, die das Publikum durch Zurufe selbst entwickelte.
Mit meinem Kommunikationstheater konnten die Mitglieder des Chambers of Commerce in New York nicht viel anfangen. Aber meine emotionale Art und Weise, Geschichten zu erzählen, gefiel ihnen sehr. Und so entwickelten sie gemeinsam mit mir folgende Idee: Ich sollte als emotionaler Begleiter einem Redner zur Seite stehen und sollte die Gefühle, die in seiner Rede transportiert werden sollten, darstellen.
Ich wurde also für mehrere Reden vermittelt und gebucht als „Emotion Actor“.
Es war eine wirklich große Gaudi. Und immer wieder wurden meine Darstellungen mehr gefeiert und begeistert beklatscht als die Inhalte der Rede.
Wie muss man sich das Ganze vorstellen?
Der Redner bemerkte eingangs in seiner Rede, dass die Firmenentwicklung im Grunde gut sei, was ich mit breitem Grinsen, einem leichten Luftsprung und erhobenen Daumen kommentierte. Und dies sei ein Grund zur Freude. Nun hatte ich als spontane Information das Gefühl der Freude darzustellen, was ich überschwänglich mit jubelnden Gesten tat. Aber, so sprach der Redner weiter, es gebe auch in einzelnen Bereichen Probleme. Ich legte meine Stirn grübelnd in Falten. Ja, so fuhr er fort, in einigen Bereichen gebe es sogar sehr schwere Probleme, was ich mit hängenden Schultern und Haare-Raufen darstellte. Als er dann noch andeutete, dass manche Bereiche so ineffektiv seien, dass man sich von einigen Konzepten trennen müsste, winkte ich tränenüberströmt mit einem Taschentuch Abschied. Als er dann zu einem späteren Zeitpunkt in seinem Manuskript eine positive Vision für die Zukunft des Unternehmens andeutete, zog ich pantomimisch ein Fernrohr hervor, blickte dadurch in die Zukunft und riss mit glücklichem Lächeln freudestrahlend meine Arme in die Höhe.
Zugute kam mir noch, dass ich als 50-Jähriger im vornehmen Anzug seriös wirkte und dadurch den Anschein erweckte, als ob ich einer von ihnen wäre. So konnten sich die Zuschauer ohne Probleme mit mir identifizieren. Auch müssen wir bedenken, dass die Amerikaner, die ich damals kennenlernte, sehr experimentierfreudig waren. Als ich später zurück in Deutschland die gleiche Idee präsentierte und anbot, schlug mir irritierte bis entsetzte Ablehnung entgegen.
In heutigen Komiksendungen übernimmt das technisch eingefahrene Gelächter und Applaus die Rolle, dass man sich emotional orientieren kann. Zu Deutsch: Dass man weiß, wann man lachen muss. Das Gleiche übernehmen in der schriftlichen Kommunikation Emojis.
Dieser Beitrag hat 0 Kommentare