Tel. 0163 76 55 881
Skip to content

Von einem, der auszog, die Virus kennenzulernen

Ach du Gott! Was ist mir denn da wieder für ein Grammatik Fehler unterlaufen? „Die Virus“?! Seit wann ist denn ein Virus weiblich? An anderer Stelle habe ich schon einmal nachgewiesen, dass „der Virus“ männlich ist. Inzwischen aber wurde ich durch maßgebliche Virologen aufgeklärt, dass „das Virus“ sächlich ist. Und trotzdem behaupte ich diesmal frech und unbelehrbar, dass „die Virus“ weiblich ist.

Doch nun nach dieser bedenklichen Einleitung will ich mich hineinstürzen ins Grimmsche Märchen. Natürlich mit Bezügen zur heutigen krisenhaften Zeit. Also, los geht’s!

Da hatte ein Vater zwei Söhne. Einen älteren, der ziemlich klug war und deswegen auch ein bekannter Virologe wurde, und einen jüngeren Sohn, einen ziemlich tumben Burschen, der von nichts eine Ahnung hatte, nichts studierte, keine Schulausbildung anstrebte und generell einen ziemlich faulen Lenz schob. Ob er Drogen nahm, ist ungewiss, aber bei dieser Lebensauffassung eher wahrscheinlich. Gehört aber nicht hierher. Denn Drogen spielen, so die übereinstimmende Forschung, bei Corona eine untergeordnete Rolle.

Der Virologensohn mühte sich in seinem Labor, und wenn er von seinem Elektromikroskop aufschaute, sagte er immer entsetzt: „Oh, ist das gruselig.“

Der tumbe Sohn, der in der Ecke unmotiviert in Comic-Heften herumschmökerte, hörte das und wusste nicht, was Gruseln ist. Und da er falsche Rückschlüsse zog, glaubte er, dass es ihn auch gruseln müsste, um seinen Vater zu beeindrucken. Dann, so dachte er, würde er vom Vater akzeptiert werden. Aber wie so viele zweitgeborene Söhne täuschte er sich da. Als er dies bemerkte, beschloss er, hinaus in die Welt zu ziehen, um Gruseln zu lernen.

Gesagt, getan: Also zog unser tumber Sohn hinaus in die Welt, um das Gruseln zu lernen. Und er fragte sich durch, ob jemand wüsste, wie er das Gruseln erlernen könne. Die Menschen riefen: „Nichts leichter als das“, und sie erklärten ihm, dass auch er einen Mundschutz tragen müsse, so wie sie. Dann würde ihm schon gruseln. Unser junger Freund zog einen Mundschutz an, aber es gruselte ihn nicht.

Andere erklärten ihm, dass er wegen einer Pandemie sich dauernd die Hände waschen müsste. Das tat er mit großer Freude, denn überall war genügend Seife und Wasser vorhanden. Und es gruselte ihn wieder nicht.

Dann erklärten ihm einige Menschen die Kontaktsperre. Und wieder gruselte ihn nicht. Denn er lebte schon ein Leben lang in Kontaktsperre.

Da traf er eine Frau, die hatte Schutzkleidung an, Einmalhandschuhe, einen bunten Mundschutz und ein Plastikvisier und schrie: „Komm mir nicht näher als 1,5 Meter. Und vor allem rühr mich nicht an!“

An dieser Stelle kann vermutet werden, dass der Bursche doch ein bisschen unter Drogen stand. Denn seine Reaktion fiel überraschend deutlich aus. Als sie so vor ihm stand, wie oben beschrieben, wusste er auf einmal, was Gruseln ist. Er grinste dankbar und sagte: „Endlich weiß ich, was Gruseln ist!“

Er verzichtete auf ein Händeschütteln oder gar eine freundliche Umarmung, drehte sich auf der Stelle um und machte sich auf den Weg nach Hause zu seinem Vater. Und dem erklärte er stolzen Sinnes, dass er aus der Welt zurückkomme und seinem Bruder als Virologenassistent helfen wolle, da er jetzt wisse, was Gruseln ist.

Der Vater war gerührt über die Entwicklung seines Sohnes und wollte ihn in seine Arme schließen. Aber da fiel ihm zum Glück noch die Kontaktregel ein. Und außerdem wollte er sichergehen, dass sein zweitbester Sohn sich erst einmal in Quarantäne begeben würde. Denn er hatte auf seinen Reisen auch Länder besucht, für die eine Reisewarnung der Bundesregierung vorlag.

Nach all diesen Maßnahmen gruselte es den zweitbesten Sohn nun wirklich und er half dem besten Bruder bei dessen Forschungsarbeit. Und beiden gruselte tagtäglich.

So endete das Märchen wie immer mit einem Happy End, auch wenn ich darauf verzichtet habe, die im Märchen geforderte Verheiratung des Burschen mit einer Prinzessin zu berichten. Doch der Korrektheit halber will ich sagen, dass die Prinzessin unserem lieben Kerl nachts einen Eimer kaltes Wasser mit kleinen Fischen darin ins Gesicht schüttete und er ausrief: „Oh, mich gruselt’s!“

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann gruselt’s ihnen noch heute!

Hinweis: Weitere Literatur, Musik und DVDs von Johannes Galli zum Thema Märchen findet die geneigte Leserin oder der geneigte Leser hier.

Dieser Beitrag hat 0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

An den Anfang scrollen