Papagalli erzählt, wie er von einer schönen Frau verwechselt wurde
Ich saß im Nahverkehrs-Bus, ahnungslos vor mich hin dösend. Die Landschaft, die draußen vorbeitorkelte, kannte ich schon, und deshalb blickte ich nicht zum Fenster raus. Plötzlich durchzuckte ein heller Blitz das Dunkel meiner Existenz. Sie trat auf mich zu. Mein Gott, mir verschlug es die Sprache. Perfekt gewelltes Haar, Zähne wie Perlen, dunkle Augen, Haut sanft schimmernd wie frischer Granatapfel, kirschroter Mund, eine Figur wie Honigmelonen … Meine Reaktion: Herzstillstand. Atemstillstand. Aussetzen des Kleinhirns. Auflösung des Großhirns. Kein Funkkontakt mehr mit der Zentrale meines Ichs. Ende der Durchsage!
Und dann sprach sie mich auch noch an. Es war ein Flirren, ein engelsgleiches Tönen, ein Sprechen direkt ins Herz, ein Lächeln wie ein Sonnenaufgang. Erst verstand ich ihre Worte nicht, aber dann langsam kam ich wieder zur Besinnung. Mein Gehirn schaltete das vegetative Nervensystem wieder an. Mein Atem setzte scheppernd wieder ein. Mein Herz überschlug sich stolpernd. Blutdruck und Puls übertrafen den Normalwert ums Dreifache. Dann verwandelten sich ihre Worte zu einem köstlichen Sinngefüge: „Hallo Alexander. Sie sind doch Alexander von Ludendorff?“
Verzweifelt nickte ich. Was hätte ich jetzt drum gegeben, Alexander von Ludendorff in echt gewesen zu sein. Aber halt, wenn sie mich für Alexander von Ludendorff hielt, dann war ich’s doch! Und schon fuhr sie fort: „Leider muss ich hier aussteigen, aber so viel sei Ihnen noch gesagt: Ihr Vortrag war höchst interessant und Ihre Präsentation war wirklich sehr amüsant.“
Ich konnte nicht antworten, da ich meine Faust im Mund hatte, um nicht zu kreischen, zu stöhnen und zu juchzen. ‚Engel’, dachte ich. ‚Ja, es gibt Engel!’
Da musste sie auch schon aussteigen. Der unsensible Bus hielt, die Türen sprangen in unnötiger Hast auf, sie stieg die Treppen hinunter, drehte sich um und winkte mir.
Ich schlug mit dem Kopf mehrmals auf die Rücklehne des Vordersitzes, um zu mir zurückzukommen. Oh mein Gott, war es herrlich, sie wiedergetroffen zu haben!
Aber halt, ich war ja gar nicht Alexander. Oder doch? Vielleicht würden wir uns ja noch mal treffen. Und dann würde alles viel besser ausgehen …
Und Achtung, jetzt kommt’s: Ich traf sie nochmals! Ich saß gedankenverloren im Zug, alleine im Abteil. Der Zug hielt gerade, da sah ich sie am Bahnsteig stehen. Ich wollte das Fenster öffnen, aber es ging nicht. Ich schrie wie am Spieß, aber sie hörte mich nicht. Ich klopfte gegen das Fenster, aber sie sah mich nicht. Aber ich sah sie und die Welt hielt den Atem an. Endlos lange Beine, kurzer Minirock. Ja, sie konnte Miniröcke tragen! Darauf ein T-Shirt, das locker gestülpt über ihren glockengleichen Brüsten verharrte. Ihre dunklen Haare umrahmten wie kleine Schlangen ihre edel-harmonischen Gesichtszüge. Sie hatte einen langen Mantel an, den sie nicht zugeknöpft hatte. Er war mit Pelz gefüttert. Wahrscheinlich Fuchs, Hase oder Blaugans oder was weiß ich. Wer denkt denn in so einem Moment an das Tier, das sich für sie geopfert hatte? Ja, wäre ich ein Tier gewesen, ich hätte mich für sie geopfert. Wäre als Fuchs in den Schuss des Jägers gesprungen. Hätte mich als Hase auf den Boden geworfen, mein Leben ausgehaucht und mir das Fell abziehen lassen, um für sie als Mantelfutter Wärme zu spenden. Als Blaugans hätte ich mir selbst den Brustfederflaum herausgerupft, damit meine Angebetete genügend Daunenwärme hätte.
Da erblickte sie mich …
Fortsetzung folgt!
Theater das ist ja, oder Kunst überhaupt ist doch eine Verwechslung. (auf dem Gemälde-Bild ist ein Mann der schaut auf `s Meer hinaus und ich meine, dass ich auf` s Meer hinaus schaue…) natürlich habe ich schon gemeint ich sei jetzt der Zugreisende obwohl ich seit Jahren nicht mehr Zug gefahren bin.