Zwei Grad kälter – Teil 1
Ein Theaterstück von Johannes Galli
Vorwort des Autors
Wie bereits bekannt nutze ich die Form kleiner absurder Theaterstücke, um persönliche Schocks, die ich in dieser Zeit durch die aktuelle Weltlage immer wieder erleide, ausbalancieren zu können. Nun hörte ich neulich in den Nachrichten, dass ab sofort alle Hallenbäder und auch die in Vorbereitung befindlichen Freibäder das Wasser um zwei Grad kälter machen, um die immensen Heizkosten zu sparen. Als leidenschaftlicher Schwimmer liebe ich es, regelmäßig meinen Kreislauf durch Schwimmen in Bewegung zu versetzen – sommers wie winters. Zwei Grad kälter hört sich überschaubar an, aber wenn einem das ungewärmte Wasser bis zum Halse steht, ist es schon verdammt kalt.
Genau diese Tatsache möchte ich bildhaft in meinem kleinen absurden Theaterstückchen „Zwei Grad kälter“ eindrücklich darstellen.
Erste Szene
Rollen:
Uwe Wimmer (ein dicklicher Mittfünfziger, leicht verwahrlost)
Adrenalina (Bademeisterin, jung, durchtrainiert, spitzmäulig)
Ort: Am Eingang zum öffentlichen Freibad
Zeit: Ein Schlechtwettertag Anfang Mai im Jahr des Wahnsinnkrieges, Beginn der Freibad Saison
(Uwe Wimmer fährt von links auf einem alten, klapprigen Damenfahrrad auf die Bühne. Dabei singt er.)
Uwe (singt): Uwe Wimmer
War schon immer
Ein guter Schwimmer.
Doch es wurde schlimmer,
Denn das Wasser wurde kalt und kälter
Und Uwe wurde alt und älter.
Jetzt ist’s Wasser zu kalt
Und Uwe Wimmer
Für immer
Kalt.
Heideldudeldidelda
Jotirolitrallala!
(spricht begeistert zu sich selbst): Ein wirklich toller Song! Kein Wunder, dass der seit Wochen auf Platz eins der Hitparade steht.
(Die Bremsen seines Fahrrads funktionieren nicht, aber dennoch schafft Uwe es durch Bremsen mit seinen Füßen, in der Mitte der Bühne zum Stehen zu kommen.
Auf einer großen Tafel steht etwas geschrieben.)
Uwe (liest laut): „Tageseintritt neunundreißig Euro! Sorry, alles wird teurer.“
(kopfschüttelnd) Ja, kann jetzt jeder Depp einfach die Preise erhöhen? Das geht doch nicht!
Adrenalina (tritt im flotten, organge-gelb-karierten Zweireiher von rechts auf und widerspricht): Doch, das geht!
Uwe (mustert Adrenalina erstaunt): Wer sind Sie denn?
Adrenalina: Ich bin die neue Bademeisterin!
Uwe (stirnrunzelnd): Und wo ist Kalle, der Bademeister?
Adrenalina: Ah, der Bademeister vor mir! Der hat protestiert gegen die viel zu hohen Preise!
Uwe: Und dann?
Adrenalina: Dann hat ihn der Finanzmonoster höchstpersönlich rausgeschmissen, weil alle, wie der Finanzmonoster sagt, verzichten müssen wegen der hohen Krogskisten.
Uwe: Was? Krogskisten?
Adrenalina (lacht): Ich meine doch Kriegskosten. Mit diesem Scherz wollte ich die düstere Stimmung, in die Sie geraten sind, aufhellen.
Uwe (grummelt): Mit keinem Scherz der Welt kann man meine düstere Stimmung aufhellen.
Adrenalina: Was ist jetzt? Zahlen oder nicht zahlen, das ist hier die Frage!
Uwe: Ich muss schwimmen, ich muss mich bewegen, um gesund zu bleiben, also muss ich zahlen. Aber ich habe eine Jahreskarte. Kann man das nicht irgendwie verrechnen?
Adrenalina: Das geht leider nicht.
Uwe: Jetzt bin ich schon mit dem Fahrrad hergefahren, weil Diesel unverschämt teuer ist. Und nun gilt meine Jahreskarte nix?!
Adrenalina: Nun ja … Es gibt sinnvolle Investitionen und es gibt Fehlinvestitionen. Ihre Jahreskarte war eine Fehlinvestition.
Uwe (missmutig): Und was soll ich jetzt machen?
Adrenalina (lächelt amüsiert): Jetzt kaufen Sie eine Tageskarte.
Uwe: Und morgen?
Adrenalina: Kaufen Sie wieder eine Tageskarte.
Uwe: Und übermorgen?
Adrenalina: Kaufen Sie wieder eine Tageskarte!
Uwe (rechnet laut): Die Schwimmsaison dauert circa hundert Tage. Wenn ich jeden Tag eine Tageskarte für neununddreißig Euro kaufen muss, zahle ich knapp viertausend Euro für die Schwimmsaison.
Adrenalina: Nun übertreiben Sie nicht. Es sind dreitausendneunhundert!
Uwe: Also gut, heute drücke ich nochmal ein Auge zu und bezahle!
Adrenalina: Sehr vernünftig.
– Ende der ersten Szene –
Fortsetzung folgt …
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